OGB-L Kongress tagte am 26. und 27. November 2004 Bildungspolitik ist und bleibt ein Schwerpunkt der Gewerkschaftsarbeit (Journal 6/2004)

30.11.2004

OGB-L Kongress tagte am 26. und 27. November 2004 Bildungspolitik ist und bleibt ein Schwerpunkt der Gewerkschaftsarbeit


In seinem Grundsatzreferat ging der am Abend des ersten Kongresstages mit überragender Mehrheit gewählte neue OGB-L Präsident Jean-Claude Reding ausführlich auf die Wichtigkeit eines tiefgreifenden Umdenkens in der Bildungspolitik ein.

Wir veröffentlichen nachfolgend den diesbezüglichen Auszug aus seiner Rede, die auch in ganzer Länge unter www.ogb-l.lu zur Verfügung steht.

"Kolleginnen und Kollegen,
Unser Sorgenkind ist die Beschäftigungspolitik. Die Arbeitslosigkeit stieg schnell in den letzten Jahren. Lag die Arbeitslosigkeit in den Jahren 2000 und 2001 noch bei 2,6 und 2,5%, so stieg sie 2002 auf 2,9%, 2003 auf 3,7%, um im September dieses Jahres auf 4,2% anzusteigen, das ist immerhin eine Steigerung von fast 70%. Die Zahl der Arbeitsuchenden, die zusätzlich in den diversen Beschäftigungsmaßnahmen erfasst wurden und eigentlich zu den Arbeitslosenstatistiken hinzugerechnet werden müssten, stieg in den letzten beiden Jahren ebenfalls um mehr als 20%. Die Dauer der Arbeitslosigkeit hat im letzten Jahr ebenfalls zugenommen. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ging zurück, auch wenn sie sich wieder bei 2,5% eingependelt hat. Ein zusätzliches Problem für die luxemburgische Beschäftigungspolitik liegt darin, dass die Arbeitslosigkeit in der Großregion, im Raum Trier, im Saarland, in Lothringen, in Wallonien mehr als doppelt so hoch liegt als in Luxemburg und, dass Luxemburg als Wirtschaftszentrum wie ein Magnet auf eine Region wirkt, die weit über die luxemburgischen Staatsgrenzen hinausgeht. Das hat sicherlich mehr Vorteile als Nachteile für Luxemburg, hat aber auch negative Auswirkungen auf die Beschäftigungspolitik. Tatsache ist auch, dass das Risiko der Arbeitslosigkeit in einem direkten Verhältnis zur Ausbildung steht. Die beruflichen Anforderungen steigen und die neuen Arbeitsplätze verlangen überwiegend eine gute berufliche Ausbildung und eine gute Allgemeinbildung. Wir brauchen Diplome, die auf jeder Ebene und in jedem Bereich ein gutes Qualifikationsniveau bezeugen und wir brauchen viele junge Leute, die dieses Niveau erreichen. Dies gilt für das CATP, das Technikerdiplom, die Meisterprüfung, das technische und das allgemeine Abitur und dies gilt für die verschiedenen Hochschulausbildungen. Es hat keinen Zweck Etikettenschwindel zu machen und Diplome zu verteilen, die keinen beruflichen Wert mehr haben. Dies würde uns sicherlich bei den unzähligen europäischen statistischen Vergleichen helfen, in der Praxis hätten wir den jungen Menschen einen schlechten Dienst geleistet. Ein solches ehrgeiziges Ziel ist aber nicht durch stramme Parolen, durch bloße Selektion und nicht mit Methoden, Programmen und Strukturen von gestern zu erreichen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir in das Bildungswesen investieren und zwar auf allen Ebenen, wir brauchen die bestmöglichst ausgebildeten Lehrer, wir brauchen Stützmaßnahmen für die vielen Schüler, die aus sozialen und kulturellen Gründen mehr Schwierigkeiten als andere haben um die erforderlichen schulischen und beruflichen Ziele zu erreichen. Wir müssen um die Schulen ein Netz an sozialen und erzieherischen Strukturen schaffen, um der Schule Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben zu geben und sie von den erzieherischen und sozialen Aufgaben, die ihr zunehmend übertragen wurden zu entlasten, aber auch, um mehr Chancengleichheit zu schaffen und mehr Kindern und Jugendlichen den Weg zu einer besseren Allgemeinbildung und einer besseren Berufsausbildung zu öffnen. Wir brauchen eine wissenschaftliche Auseinandersetzung und Forschung im pädagogischen Bereich, eine pädagogische Forschung, die sich auf die Besonderheiten der luxemburgischen Situation konzentriert, die wissenschaftlich evaluiert, was in unserem Bildungswesen geschieht. Wir brauchen eine Politik, die auf Partizipation setzt und alle Schulpartner (Eltern, Schüler, Lehrer, Ausbildungsbetriebe) miteinbezieht und die einen konsequenten sozialen und gesellschaftlichen Dialog über Bildung und Ausbildung in Luxemburg führt. Wir brauchen eine klare politische Zielsetzung, die die Bildungspolitik auch hauhaltspolitisch zu einer unstrittigen Priorität macht.

Der OGB-L und seine Vorläuferorganisationen haben seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer eine Vorreiterrolle in der bildungspolitischen Diskussion gespielt. Wir werden uns auch weiterhin in diese Diskussion einbringen. Deshalb liegt dem Kongress ja auch eine Resolution vor, die uns den Auftrag geben soll die bildungspolitische Diskussion weiterzubringen und die gleichzeitig unterstreicht, dass die Bildungs- und Ausbildungspolitik für uns eine politische Priorität ist.

Beschäftigungs-, wirtschafts- und gesellschaftspolitisch müssen wir aber auch die Weiterbildung zu einer politischen Priorität machen. Es genügt nicht die Betriebe aufzufordern interne Weiterbildungspläne zu erstellen und sie dafür zu subventionieren. Übrigens drängt sich eine Evaluierung auf, um zu sehen, ob das Gesetz über die Förderung der betrieblichen Weiterbildung sein Ziel erreicht hat, ob der betriebliche Einsatz besonders in den KMUs wesentlich gestiegen ist, wie es mit der Einbeziehung der Personalvertreter steht.

Es genügt nicht, dass der Staat wohlwollend zur Kenntnis nimmt, dass die Berufskammern im Bereich der Weiterbildung aktiv sind und eigentlich die tragenden Säulen der Weiterbildung in Luxemburg darstellen. Wir brauchen eine grundlegende Reform der staatlichen Erwachsenenbildung, die zu einem eigenständigen Bildungszweig umgestaltet werden muss, mit eigenen Strukturen und Methoden, mit eigenem Lehrpersonal, ... usw. Wir müssen die berufliche Erfahrung in diesem Bildungszweig anerkennen. In diesem ganzen bildungspolitischen Prozess spielt die neue Universität Luxemburg eine wichtige Rolle und darf nicht zu einer elitären Institution werden: ein solcher Versuch ist sowieso zum Scheitern verurteilt. Die neue Universität hat auch dann keine Zukunft, wenn sie versucht sich an den kurzfristigen Interessen verschiedener Wirtschaftszweige zu orientieren und wenn sie vom Sponsoring aus der Privatwirtschaft abhängt. Die Arbeitswelt muss auch in den Gremien der Universität vertreten sein und wir brauchen ein Forum der Kooperation zwischen der Arbeitswelt und der Universität. Zudem muss der Zugang zur Universität für jeden, der die erforderlichen Qualifikationen mitbringt, garantiert sein und darf nicht vom Einkommen der Eltern und damit von der sozialen Herkunft abhängen.

Der Zugang zur Weiterbildung ist aber auch eine Frage der Arbeitszeitorganisation, des Rechtes auf Teilzeitarbeit, auf angepasste Arbeitszeiten, auf Bildungsurlaub und vieles mehr.

Und schließlich gilt es noch stärker die Weiterbildung einzusetzen um Arbeit Suchenden mehr Chancen zu geben. Hier müssen neue Wege beschritten werden, auch hier müssen bestehende Maßnahmen auf ihren Nutzen analysiert werden, auch hier ist Innovation gefragt."


Priorität für Bildung und Weiterbildung! Die bildungspolitische Resolution wurde einstimmig angenommen

Der Kongress des OGB-L unterstreicht die Bedeutung der Bildungspolitik für die zukünftige Entwicklung Luxemburgs. Die Zukunftsfähigkeit Luxemburgs hängt entscheidend mit einem starken bildungspolitischen Engagement des Landes zusammen. Der OGB-L-Kongress bekräftigt die bildungspolitischen Vorschläge des OGB-L und insbesondere das Memorandum des 4. Kongresses 1 und beschließt, den Nationalvorstand zu beauftragen eine breite bildungspolitische Diskussion in der Gewerkschaft einzuleiten. Diese Diskussion soll mit allen relevanten bildungspolitischen Akteuren geführt werden und besonderes Augenmerk auf die Themen berufliche Ausbildung, Weiterbildung und Recht auf lebenslanges Lernen, Hochschulpolitik und Forschung legen. Eine bildungspolitische Konferenz des OGB-L soll diese Diskussion bündeln und zu einem erneuerten Aktionsprogramm des OGB-L führen.