Zur Reform des Sprachenunterrichts (Patrick Harsch in: Goosch.lu No 141, 19-04-07 / Journal 3/2007)

23.06.2007

Für viel Verunsicherung in den Reihen des betroffenen Lehrpersonals aus dem Primär- und Sekundarunterricht sorgt zurzeit die angekündigte Reform des Sprachenunterrichts. Kernstück dieses Jahrhundertwerks ist das äußerst vage Konzept der „Kompetenzsockel“. Durch besonders auf den unteren Klassen des Primaires und Secondaires durchgeführte Tests sollen die Schüler/Innen in verschiedene Kategorien/Niveaus klassiert werden. So können Kinder mit guten und mittelmäßigen sprachlichen Fähigkeiten getrennt werden von Kindern mit unzureichenden „Kompetenzen“ (also das Schreiben, Verstehen und Sprechen einer Fremdsprache). Hintergrund des Aktivismus ist der gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen, der auf das multilinguale Luxemburg angewendet werden soll.
Die lobenswerte Motivation der zuständigen Ministerin Delvaux ist nachzulesen im Forum Nr. 264. Da zu viele unserer Schüler durch eine Ungenügende in einer Fremdsprache die Schule ohne Diplom verlassen, müssen den sprachlichen (Un-)Fähigkeiten der Schüler angepasste Methoden des Unterrichts sowie neue Bewertungsmethoden her.
Die verschiedenen Stellungnahmen der einzelnen Lehrer/Innen-Gewerkschaften haben jedoch eine diametral entgegen gesetzte Linie: Reformen sind willkommen, doch der damit verbundene Riesen-Aufwand an Material und Personal wird, bei gleich bleibendem Lehrer/Innen-Mangel (besonders im Primaire), zu einer weiteren Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen führen. In der Tat gibt es nur noch sehr selten die Möglichkeit, durch differenzierten Unterricht vom kleinsten Schüler-Alter an auf Lernschwierigkeiten sinnvoll, d.h. frühzeitig, einzugehen. Die Personalpolitik der letzten drei Jahrzehnte steht denn auch richtigerweise am Pranger.
Erste Auswertungen der Reformprojekte in verschiedenen lycées techniques lassen erkennen, dass gerade die schwächeren Schüler/Innen eben nicht von einem reformiertem (Sprachen-) Unterricht profitieren.
Und über die sozialen Wurzeln der fehlenden „Kompetenzen“ wird kein Wort geredet. Immer mehr Kinder sind ganz alleine auf sich gestellt. Nur die wenigstens schaffen es, sich ohne Hilfe von außen auf die Schularbeit zu konzentrieren. Ganztags-Schulen, ganz besonders in sozial schwächeren Stadtvierteln, können diese sozialen Handicaps kompensieren. Ernstzunehmende Schulreformen stehen und fallen mit dieser nüchternen Feststellung.

Patrick Harsch
in: Goosch.lu No 141, 19-04-07