Lehrer weiterhin mobilisiert: Antwortschreiben auf den Land-Artikel

28.04.2008

Es ist in der Tat eine bittere Ironie der Geschichte, dass das Angebot der beiden Lehrergewerkschaften, die im neuen Schulgesetz angelegten Reformen, gemeinsam anzugehen und mit Leben zu erfüllen, von dieser Regierung einfach in den Wind geschlagen wird. Da muss man sich schon ernsthaft die Frage stellen: Wer will kein neues Schulgesetz?
Hatten nicht gerade die Gewerkschaften schon in der ersten Verhandlungsrunde angeboten die neuen Herausforderungen, die im Gesetzesentwurf enthalten sind, in die Arbeitszeit der Lehrer einzubauen?
Die Forderungen der Lehrergewerkschaften gründen auf der verlängerten Ausbildungszeit für die Lehrerlaufbahn und auf den in den letzten Jahren stetig gewachsenen Anforderungen an die Lehrer, das sowohl was den Aufwand an individualisierten Lernangeboten betrifft wie auch die gestiegene Verantwortung für den Lernerfolg des einzelnen Schülers.
Die Lehrergewerkschaften haben in den vergangenen Jahren die Reformen in der Grundschule gefordert und in aktiver und konstruktiver Weise an der Ausarbeitung mitgearbeitet. Es ist desto unverständlicher, dass Frau Kurschat von "reformresistenten" Gewerkschaften schreibt.
Gerade weil sich die Lehrergewerkschaften sich ihrer Verantwortung im Gelingen einer längst überfälligen Reform bewusst sind, haben sie der Regierung ein Angebot unterbreitet, das es erlaubt hätte, die im Gesetzesentwurf vorgesehene Schulreform in die Praxis umzusetzen: vier Stunden Präsenzzeit an der Schule für mehr Elternarbeit, für Teamarbeit im Lernzyklus, Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften, Kompetenz orientiertes Bewerten, Weiterbildung und administrative Aufgaben, um einerseits die seit langem fällige Einstufung in die höhere Staatsbeamtenkarriere zu erreichen und andererseits die Umsetzung der geplanten Schulreformen zu ermöglichen. Damit hätten sie dem Gesetzesprojekt von Frau Delvaux die einmalige Chance gegeben nicht bloß auf dem Papier zu existieren, sondern ein starkes Echo in der Lehrerschaft zu erlangen. Trotz mancher Kritikpunkte an dem vorliegenden Gesetzesentwurf und trotz eines erheblich gestiegenen Arbeitsaufwandes, wären die Lehrer bereit den neuen Herausforderungen mit gemeinsamen Projekten zu begegnen, vorausgesetzt ihre Arbeit wird nicht weiterhin durch eine falsche Einstufung herabgewürdigt.
Wiese wurde das Angebot der Gewerkschaften nicht angenommen?
Wieso pochten die Regierungsvertreter auch noch auf zwei zusätzliche Präsenzstunden bei den Schülern, obwohl es keine konkreten Vorstellungen gab, ob es sich dabei um Unterrichtsstunden, Förderkurse, Hausaufgabenhilfe oder Sonstiges handele? Auch im Gesetzesentwurf war nichts Derartiges vorgesehen. Was konnte die Regierung mit dieser Forderung bezwecken?
Das "Angebot" der Regierung war klar: die Lehrer sollen sich die höhere Einstufung der Laufbahn durch ein entsprechendes Mehr an Arbeit erkaufen.
Kurzfristig muss in die Betreuung der Kinder nach den Schulstunden investiert werden. Die Ganztagschule wird es nicht zum Nulltarif geben. Möchte die Regierung hier vorausplanend Maßnahmen ergreifen, um die Kosten der flächendeckenden Einführung einer Ganztagsschule auf die Lehrer abzuwälzen?
Viel subtiler kommt dann aber auch noch die Frage nach dem Berufsbild hinzu: wenn Lehrer den "Hansdampf in allen Gassen" spielen, dann kann man sie auch beliebig einsetzen und wieso sollte man dann noch eine Unterrichtsstunde von einer Betreuungsstunde oder einer administrativen Arbeitsstunde unterscheiden. Dann sind die Lehrer ja noch mit der 4+2 Variante unterbeschäftigt. Dass ein Lehrer seine Unterrichtsstunde vorbereitet, dass er sich Gedanken über die Lernfortschritte der einzelnen Schüler macht, dass er versucht ihnen mit differenzierten Lernangeboten weiterzuhelfen, dass er vielerlei Aufgaben verbessert und bewertet, das sind doch nur "gewerkschaftliche Schreckensbilder".
Glücklicherweise gibt es in unseren Schulen sehr viele Lehrer und Lehrerinnen, die all diese notwendigen, wenn auch nicht so auffälligen Arbeiten wahrnehmen. Sie sind es, die sich ernsthaft mit der Förderung schwacher Schüler beschäftigen und sie werden gebraucht, wenn eine Schulreform gelingen soll. Sie hätten ihren Gewerkschaften unweigerlich das Vertrauen entzogen, wenn sie sich auf solch unrealistische Forderungen der Regierung eingelassen hätten.
Kennt unsere Unterrichtsministerin die Arbeit der Lehrer so schlecht, dass sie dies überhaupt für zumutbar hält?
Aber vielleicht ging man auf Regierungsseite davon aus, dass die Lehrergewerkschaften nicht auf diese Forderungen eingehen können. So wurden diese Scheinverhandlungen nur geführt um Zeit zu gewinnen, in der Hoffnung die Mobilisierung der Lehrer würde in der Zwischenzeit abflauen und man könne sich noch ein Mal an der überfälligen Aufwertung der Lehrerlaufbahn vorbeimogeln.
Von einem großen Verantwortungsgefühl gegenüber der geplanten Schulreform zeugt dies nun aber nicht, und es drängt sich die Vermutung auf, dass nicht jeder auf Seite der Regierung an der Umsetzung eines neuen Schulgesetzes interessiert ist.
Entgegen der Behauptung von Frau Kurschat, sind die Lehrer also durchaus bereit und motiviert die Herausforderungen des neuen Schulgesetzes anzunehmen. Die Lehrer bleiben aber weiterhin mobilisiert und werden in ihrer Forderung nach einer gerechten Einstufung ihrer Laufbahn nicht nachgeben.

Monique Adam, Präsidentin des SEW/OGB-L
Patrick Arendt, Mitglied des Vorstandes des SEW