Schulreform und Lehrergehälter: die schwierige Suche nach einem Kompromiss (tageblatt: 1/6/2008)

01.06.2008

Lehrer weiterhin streikbereit



Die Regierung will die Schulreform umsetzen und braucht dafür die Lehrer. Die wiederum wollen berufliche Anerkennung und eine Aufbesserung der Gehälter. Das Scheitern der Verhandlungen hat Regierung und Gewerkschaften vor den Schlichter geführt. Der soll nun einen Weg aus der Sackgasse finden und den drohenden Streik abwenden helfen.

Alex Fohl

Die Geduld der Lehrer würde zurzeit auf eine harte Probe gestellt. Seitdem die Regierung Verhandlungen über eine Aufwertung der Lehrerlaufbahn aufgenommen habe, führe sie einen Zermürbungskrieg, ohne selbst Konzessionen zu machen, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Lehrergewerkschaften SEW/OGB-L und SNE/ CGFP.

Am 21. März waren Regierung und Gewerkschaften auseinandergegangen, ohne dass die Gespräche zu einem Ergebnis geführt hatten. Die Regierung habe keinen Willen zum Kompromiss gezeigt, so die Lehrervertreter nach den gescheiterten Verhandlungen. Eine Einigung sei trotz Entgegenkommen der Gewerk-schaften nicht möglich gewesen, hatte SEW-Präsident Monique Adam dem Tageblatt gegenüber betont.
Die Zugeständnisse der Lehrerverbände gingen der Regierung nicht weit genug. Neben der von Gewerkschaftsseite angebotenen vier zusätzlichen Stunden für Konzertation, Kompetenzevaluation, EIternarbeit und Fortbil-dung forderten Wiseler & Co. eine verstärkte Lehrerpräsenz im Bereich der Schülerbetreuung.

Auch der Alternativvorschlag der Regierung, die Arbeitszeit der Lehrer an das neue Schulmodell „Eis Schoul” anzupassen, blieb für die Lehrergewerkschaften inakzeptabel, sodass beide Verhandlungspartner sich vor dem Schlichter wiederfanden.

Inzwischen wurden sowohl Regierung als auch CGFP und dessen Lehrersyndikat SNE gehört. Nicht mit im Boot bei den Verhandlungen vor dem Schlichter ist das SEW/OGB-L, das aufgrund der Mehrheitsverhältnisse bei den letzten Sozialwahlen nicht als national repräsentativ angesehen wird.

Froh über das eigene Fehlen bei den weiteren Verhandlungen ist SEW-Präsidentin Monique Adam nicht. „Ein Teil unserer Mitglieder hat ein Problem damit”, so Adam, die die bislang gute Zusammenarbeit mit dem SNE unterstrich.

Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, einen SEW-Vertreter an der Schlichtungsrunde zu beteiligen, hält die Vorsitzende des SEW entgegen. Alternativ dazu hätte das SEW auch ein eigenes Schlichtungsverfahren anstreben können. Davon habe man aber abgesehen, um die Prozedur nicht unnötig zu verlängern, so Adam auf Nachfrage des Tageblatt.

SNE-Präsident Michel Cloos beruft sich auf das Gesetz, das in der Schlichtungskommission drei Mitglieder der national-repräsentativen Gewerkschaft - sprich die CGFP - und zwei Gewerkschaftsdelegierte des repräsentierten Sektors vorsieht. Das wären SNE und SEW. Aufgrund des Mehrheitsverhältnisses (80% für das SNE und nur 20% für das SEW) hat der CGFP-Ableger zwei Mitglieder in die Kommission geschickt.

Dabei hatten SEW/OGB-L und SNE/CGFP am 11. Dezember vergangenen Jahres zu einer gemeinsamen Protestkundgebung ins Bartringer Centre Atert aufgerufen. Die große Beteiligung der Lehrerbasis zeugte von deren Entschlossenheit. Inzwischen bereiten sich die Gewerk-schaften auf einen Streik für den Fall vor, dass es im Schlichtungsverfahren, auf das noch eine Mediation folgen könnte, zu keiner Einigung kommen sollte.

Danach sieht es derzeit nicht aus, zumal auch das letzte Treffen vor dem nationalen Schlichter keine Annäherung gebracht hat.

Beide Lager scheinen einstweilen auf ihren Positionen zu beharren. Der Beitrag der Lehrer zur geplanten Grundschulreform - die Regierung hatte eine Aufwertung der Lehrerlaufbahn von der Umsetzung des neuen Schulgesetzes abhängig gemacht - umfasst vier zusätzliche Stunden Schulpräsenz. Eine Erhöhung der Unterrichtszeit lehnen die Gewerkschaften weiter ab.
Als Gegenleistung für ihre Zu-geständnisse erwarten sich die Lehrer eine Einstufung in der höheren Staatslaufbahn auf E6-Niveau; zurzeit sind sie auf der mittleren Staatsebene in E3 eingestuft. Die Regierung bietet lediglich den Grad E5 und fordert dafür zusätzliche Betreuungszeit.

Während der nächste Termin vor dem Schlichter auf den 19. Juni festgelegt wurde, geht die Mobilisierung im Lager der streikbereiten Lehrer weiter. In einigen Kommunen erreiche der Mobilisierungsgrad 90 bis 100 Prozent, so SEW-Präsidentin Adam, die den Druck aufrechterhalten will, zumal auf Gewerkschaftsseite befürchtet wird, dass die Regierung weiterhin auf Zeit spiele.

Sollte auch die nächste Verhandlungsrunde scheitern, bliebe immer noch die Möglichkeit, einen Mediateur einzuschalten, sodass ein Streik laut Gesetz nicht mehr vor Ende des Schuljahres möglich sein wird. Dahinter vermuten die Lehrerverbände den Versuch der Regierung, der gewerkschaftlichen Mobilisierung den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Die Regierung wäre gut beraten, die Risiken dieser Hinhaltetaktik abzuwägen, da die Unzufriedenheit der Lehrer dadurch weiter zunehme, warnen die Lehrervertreter. Man sollte deren Entschlossenheit und Arger nicht unterschätzen, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung weiter. Die Vorschläge der Gewerkschaften zielten darauf ab, die geplanten Reformen zu unterstützen und die Einstufung der Lehrer in einer höheren Staatslaufbahn zu erwirken, so die Gewerkschaften. „Dies ist ein ernsthaftes Angebot für eine reelle Dynamik des Wandels.”

Laut SNE-Präsident Michel Cloos scheine die Unterrichtsministerin bereit, auf die Forderungen der Gewerkschaften einzugehen, um die Lehrer für die Umsetzung der Grundschulreform zu gewinnen. Auch Premierminister Juncker habe in seiner Erklärung zur Lage des Landes gefordert, das neue Schulgesetz so schnell wie möglich im Parlament zu verabschieden, so Cloos.

Dem Tageblatt gegenüber betonte Bildungsministerin Mady Delvaux-Stehres, dass sie kein Interesse daran habe, die Streitfrage mit den Lehrern auf die lange Bank zu schieben.