'Eine Schule für alle' oder Gesamtschulen?
Schulpolitische Positionen auf dem Gewerkschaftstag der GEW in Lübeck
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) will sich auf ihrem Lübecker Gewerkschaftstag vom 5. bis 9. Mai 2001 schulpolitisch eine neue Orientierung geben. Hierzu hat der Vorstandsbereich Schule unter Leitung von Marianne Demmer den zentralen Antrag, die "Schulpolitischen Positionen (Schupopos)", entwickelt. Das umfangreiche Papier hat in der GEW einige Kontroversen ausgelöst.
Die Schupopos sind Ergebnis eines mehr als zweijährigen Diskussionsprozesses mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktivitäten. Zentrale Fragen sind: Welche Ziele muss Schule im 21. Jahrhundert ansteuern? Wie kommen Lernprozesse dauerhaft in Gang? Unter welchem Dach sollen Lernen und Erziehung statt finden und welche Wege führen dorthin?
Auch wenn das Ziel des möglichst langen gemeinsamen Lernens in einer Schule für alle zunächst unstrittig ist, hat vor allem die Frage nach dem Weg dorthin bereits im Vorfeld des Gewerkschaftstages für einige Kontroversen und einen Alternativantrag gesorgt.
Ziel der "Schulpolitischen Positionen" ist die "Eine Schule für alle". Der mit diesem Ziel verbundene umstrittene schulpolitische Perspektivenwechsel lässt sich zugespitzt so umreißen: Nicht dass Gesamtschule "drauf steht" hat Vorrang, sondern dass die Pädagogik möglichst langen gemeinsamen Lernens "drin" ist. Der Schupopo-Antrag sagt: Gesamtschulen sind ein wichtiger Schritt in Richtung der "Einen Schule für alle", aber nicht der einzig denkbare. Wir brauchen flexible Strategien, je nach Situation in den einzelnen Bundesländern. Auch das gemeinsame Lernen in sechsjährigen Grundschulen, in Orientierungsstufen, in Schulkooperationen und Integrationsschulen kann helfen, die zu frühe Auslese der Kinder zu überwinden. Alle bestehenden Schulen sollen eine Entwicklungsoption haben, sich in Richtung der "Einen Schule für alle" zu entwickeln.
Diese Vorstellung stößt freilich dort auf heftigen Widerstand, wo ausschließlich auf die Ausbreitung integrierter Gesamtschulen gesetzt wird. Der Gegenantrag des Bundesfachgruppenausschusses Gesamtschulen will diesen Perspektivenwechsel nicht mittragen.
Kontrovers sind auch Fragen nach der Steuerung des Schulwesens: Wieviel Selbständigkeit und Wettbewerb sind zuträglich? Wie sollen Standards und die Vergleichbarkeit der Abschlüsse bei größerer Autonomie gesichert werden? Durch zentrale Abschlussprüfungen, standardisierte Tests oder durch sonstige Evaluationsverfahren? Umstritten ist auch, wie lange die Schulzeit bis zum Abitur dauern soll.
An anderen zentralen Leitkategorien des Papiers werden sich die GEW-Geister vermutlich weniger scheiden: Chancengleichheit, Demokratisierung, Integration, Interkulturalität und Nachhaltigkeit sollen auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen und zu Parametern für die Qualität und Zukunftsfähigkeit des Schulwesens werden.
Mitgeteil vom der GEW- Deutschland