Lehrer unter Druck

Die Zahl psychischer Erkrankungen (Depression, Burn-Out) bei den Lehrern wächst mit der zunehmenden alltäglichen Belastung und Unzufriedenheit aufgrund des steigenden Drucks im Bildungssystem.
Unabhängig von Alter und Berufserfahrung leidet der große Teil der Luxemburger Lehrerschaft unter den zunehmenden Anforderungen, welche unter anderem durch die Bildungsreform (Schulgesetz 2009) und immer neuen Aufgaben bei mangelnden Ressourcen ausgelöst wurden.
Viele junge Kolleginnen und Kollegen können sich kaum noch vorstellen, bis zum Rentenalter im Lehrerberuf durchzuhalten. Ihr beruflicher Idealismus, ihr pädagogischer Schwung, ihre Offenheit für Neues und die Bereitschaft, professionell ihr Bestes zu geben, werden früh gebremst und weichen nicht selten einem Gefühl der totalen Überforderung. Hinzu kommt die Angst, keine professionellen oder menschlichen Schwächen zeigen, geschweige denn zugeben zu dürfen: sie müssen sich vor allem während der ersten zwei Jahren (Stagezeit) ihres Lehrerdaseins bei den Instituteurs-Ressources IR und den Inspektoren bewähren. Dies geschieht bei regelmäßigen (Kontroll)besuchen der IR in den Klassen der jungen Kollegen, sowie während zahlreicher obligatorischer Weiterbildungsnachmittage. Allzu oft empfinden die jungen Lehrer die IR nicht als Hilfe oder Unterstützung, sondern als Kontrollelement. Zur verständlichen Unsicherheit, an der aus Gründen der beruflichen Unerfahrenheit die meisten Berufseinsteiger leiden, gesellt sich die Angst vor Kontrolle, vor Versagen. Dies führt dazu, dass Schwächen nicht zugegeben werden aufgrund der berechtigten Angst, dieses Geständnis könnte sich -in Zeiten, in denen das Damoklesschwert der Bewertung der Beamten im öffentlichen Dienst auch über den Köpfen der Lehrerschaft kreist- negativ auf ihre zukünftige Berufslaufbahn auswirken.
Ältere Kolleginnen und Kollegen warten sehnsüchtig auf die erste Gelegenheit die sich ihnen bietet, um sich total frustriert in ihr wohlverdientes Rentnerdasein zu flüchten. Sie fühlen sich um Ihren eigentlichen Auftrag als Lehrer betrogen, weil in ihrem Berufsalltag nicht mehr das gemeinsame Lernen mit allen Schülern im Vordergrund steht, sondern es vorrangig darum geht, sich den bildungspolitischen Steuerungsmaßnahmen zu unterwerfen (Bilans, Epreuves standardisées, PRS, Rapport-Ecole...). Besonders die engagiertesten und gewissenhaftesten Lehrer unter ihnen, welche ihren Beruf auch als Berufung verstanden und während Jahrzehnten leidenschaftlich gerne unterrichteten, leiden unter den unzähligen veränderten pädagogischen und bürokratischen Forderungen, welche das Bildungsministerium und dessen Vertreter (Inspektoren, Instituteurs- Ressource) an sie stellen. Sie empfinden viele der bildungspolitischen Maßnahmen, welche größtenteils aus der Logik des Wirtschaftsmanagements stammen, als reine Schikane. Sie vermissen den Mehrwert für ihre Schüler, den diese zeit- und energieaufwendigen Anforderungen bringen sollen. Resultat: die Lehrer leiden unter depressiven Stimmungen, weil sie in ihrem Bestreben, eine sinnvolle und für alle Schulakteure befriedigende Arbeit zu leisten, durch sinnlose Anweisungen und Bestimmungen ausgebremst werden. Ihre Lehrertätigkeit bereitet ihnen keine Freude mehr.
Zu den veränderten Rahmenbedingungen, welche das Schulgesetz von 2009 vorgibt, gesellt sich der rasche Wandel der Gesellschaft: Pädagogen übernehmen einerseits zunehmend die Erziehungsaufgaben der Eltern; andererseits sehen sie sich immer öfters mit einer anderen Gruppe von über besorgten Müttern und Vätern konfrontiert, welche um jede Bewertung ihres Kindes feilschen und vom Lehrer Rechenschaft fordern. Je näher der Übergang zur weiterführenden Schule rückt, desto stärker wird der Druck, der auf die Lehrerschaft ausgeübt wird: der Kampf um die beste Orientierung und um die besten Schulen geht los. Gut genug reicht diesen Eltern nicht mehr. Dazu trägt sicher auch das neueste Steckenpferd des Bildungsministeriums bei: der „Rapport-Ecole“, welcher die Leistungen der Schüler und somit der Schulen untereinander vergleicht und so eine Rangliste der Schulen aufstellt. Da in der Schule jetzt beständig gewogen und gemessen wird, nimmt der elterliche, gesellschaftliche und bildungspolitische Druck auf die Lehrkräfte zu. Das Bildungsministerium wäre gut beraten, möglichst schnell die momentane schlechte Stimmungslage in den Schulen ernst zu nehmen, die wahren Ursachen für die Frustration, Resignation oder auch die Widerstände der Lehrer zu erkennen und dementsprechende Maßnahmen im Rahmen der Überarbeitung des Schulgesetzes 2009 vorzunehmen.
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