Welche Erwartungen stellt unsere Gesellschaft an die Institution Schule? Kinder fördern oder beschäftigen? (Journal 4/2006) Mariette Laesch
Welche Erwartungen stellt unsere Gesellschaft an die Institution Schule?
Kinder fördern oder beschäftigen?
Dass Lehrer 40 Stunden die Woche arbeiten, steht wohl fest. Dass diese 40 Stunden nicht überprüfbar sind auch, weil der Lehrer für einen Teil seiner Arbeitszeit selbst bestimmen darf wann und wo sie stattfindet. Das wird in der Gesellschaft nicht immer gut aufgenommen.
Was ist denn nun diese Arbeit? Sich mit, nehmen wir eine Durchschnittszahl, 16 Schülern auseinandersetzen, zu überblicken was der einzelne kann, was er fähig ist zu machen und nicht macht, womit Schwächen anderer zu begründen sind, wodurch Schüler Probleme haben, wie der einzelne sprachlich kompetent ist, Schriftsprache und gesprochene Sprache, ob er gut lesen kann, warum es Schreibprobleme gibt, ob der Schüler nicht gut hört, oder graphomotorische Probleme am Ursprung stehen, ob eine Apraxie, Dyslexie, Dysphasie vorliegt, ob das soziokulturelle Umfeld lernfördernd ist oder nicht, ob man Eltern eventuell noch Unterstützung beschaffen sollte, ob man intervenieren muss, weil die Eltern ihrer Pflicht ihre Kinder regelmäßig in die Schule zu schicken nicht nachkommen, … Die Liste würde bis zu einer Seite mindestens reichen. Schulmaterial, es gibt Schulbücher, ein Buch für alle. Zur Arbeit des Lehrers gehört nun eben auch die Anpassung des Materials an die Schüler, es gibt Publikationen der Lehrergewerkschaften und -kooperativen, aber auch hier muss der Lehrer wieder Anpassungen vornehmen, also stellt er viel Material selbst her. Er orientiert sich an ausländischen Publikationen wo das Material in Hülle und Fülle existiert aber auch wieder nicht unseren Inhalten entspricht, …
Nun, warum stelle ich Lehrer in den Vordergrund, wenn ich eigentlich über die Circulaire berichten möchte, die gemeinsam von der Unterrichtsministerin und dem Innenminister herausgegeben wurde. Hier geht es um die Arbeitszeit des „2e intervenant dans l'éducation précoce“. Wenn man davon ausgeht, dass dieser genau wie der Lehrer vorbereitet, aufarbeitet, sich Grundfragen zur Entwicklung des Kindes stellen muss, mit Eltern sprechen wird, mit dem Lehrer gemeinsam Lernstrategien entwickeln wird, … muss man sich fragen warum muss dieser jetzt nachvollziehbar oder besser gesagt kontrollierbar 40 Stunden die Woche arbeiten. In der Circulaire sind nur 5 Stunden zur Vorbereitung und zu Elterngesprächen vorgesehen, 35 Stunden aber in der Schule, nicht in seiner Klasse, nein da können es ja nur 26 Unterrichtsstunden sein. Während 9 Stunden wird er vollgepackt mit anderen Arbeiten, ach nein “surveillance“. Welche und wo? Er wird auch nicht mit Ferien belohnt, er wird nur Urlaub haben. Der Arbeitgeber wird ihm aber vorschreiben wann er diesen nehmen muss, während den Ferien selbstverständlich und dieser Arbeitgeber wird ihm, wenn die Ferien zu lang sind, zusätzliche Arbeiten auferlegen, wie Ferienaktivitäten zum Beispiel. Gnädigerweise wird man ihm aber vom 1. bis zum 15. September zusätzliche Vorbereitungszeit auf die Schule zugestehen. Es wird schon zu einer einmaligen Arbeitssituation kommen. Der Lehrer wird vorbereiten und dann dem „2e intervenant“ zuerst einmal erklären was der zu tun hat, bevor dieser das tun kann. Der Lehrer wird sich entweder dazu Zeit nehmen oder alles schriftlich festhalten. Das muss dann aber auch in vernünftigem Abstand zum Schulalltag geschehen oder genügt das morgens um 7.50 Uhr. Man soll in der Schule außer Langzeitprojekten trotzdem kurzfristig, nämlich täglich auf die Probleme der Schüler eingehen. Oder sollte das nur der Lehrer machen und der „2e intervenant“ Mädchen
für alles spielen?
Woher kommt dieses Umdenken oder sollte man sagen dieses Denken?
Ein Argument, das immer bisher gebraucht wurde, ist, dass die anderen « éducateurs » oder « gradués » auch keine solch vorteilhaften Arbeitsbedingungen hätten. Das stimmt nur teilweise, denn oft wird vorbereitet, wenn die Kinder nicht da sind, gemeinsam vorbereitet halt eben. Urlaub das stimmt. Nun Schule funktioniert aber mit Ferien und jemanden mit x verschiedenen Arbeitsgebieten zu betrauen ist nicht Qualitätsfördernd. Bei Lehrern gibt es diese Unterschiede nicht, wird dann immer gesagt. Dies stimmt nur teilweise da die meisten Lehrer unterrichten. Diejenigen die aber mit anderen Arbeiten betraut sind, haben andere Arbeitszeiten. Das ist selbstverständlich.
Sollte man nur auf Lehrer in der « éducation précoce » zurückgreifen. Dann gibt es das Problem
nicht.
Nein ! Es ist wichtig in Zukunft viele Berufsbilder in der Schule zu haben. Sollte man dann nicht generell eine Diskussion mit den Betroffenen und vor allem mit den Gewerkschaften ankurbeln, und von solchen Aktionen absehen. Sie stiften nur Unruhe in der Schule. Sie kosten Energie und lenken vom Wesentlichen ab.
8 Jahre nach der Einführung der „éducation précoce“ gibt es noch immer kein Gesetz. Jede Gemeinde hat halt eben, sich berufend auf die Gemeindeautonomie, das Beste oder auch nicht daraus gemacht. Und jetzt dies !
Konstruktive professionelle Diskussionen wurden noch nie abgelehnt weder von den Lehrern noch von ihren Vertretern. Warum denn schon wieder ein solcher Alleingang ?