Exklusivgespräch unseres Mitarbeiters, Dr. Pasta Lotsi mit der Schulministerin zur aktuellen Reformdebatte (Journal 3/2006)

11.06.2006

Exklusivgespräch unseres Mitarbeiters, Dr. Pasta Lotsi mit der Schulministerin zur aktuellen Reformdebatte


Dr. Pasta: Frau Minister, man wird den Eindruck nicht los in ihrem Ministerium werde quasi unaufhörlich drauf los reformiert. Es vergeht kein Trimester ohne dass die erstaunte, ja vor Schreck erstarrte Lehrerschaft mit neuen Offensiven im Kampf gegen verkrustete Lehr- und Lernstrukturen konfrontiert wird. Nei-ale Lycée, Anti Durchfall Promotionskriterien, revolutionäre Zensuren mit Religionsbonus, absolut rostfreies Lehrerprofil sind nur ein paar Stichwörter, man könnte die Reihe beliebig fortsetzen. Welche Reform würden Sie selbst als die bislang Wichtigste bezeichnen ?

Minister: Da kann ich ohne nicht zu zögern sage: die mit dem “ Nei-ale Lycée“, da stimmt einfach alles, da probiere ich im Kleinen was mir morgen sobald keiner im Grossen nachmachen wird.

Dr. Pasta: Könnten Sie uns eventuell noch klarer sagen, wie Sie das meinen ?

Minister: Mein Hauptanliegen bestand von Anfang an darin, die Fehlerquote, besonders die im Schriftlichen und Mündlichen, welche in vielen Lyzeen immer noch zu hoch liegt, entscheidend zu reduzieren und den Schülern aber auch ihren Lehrern und Direktoren mehr Selbstvertrauen in ihre eigene Inkompetenz zu geben. Ich kann ihnen heute sagen: Wir haben es geschafft, die Fehlerquote im “ Nei-ale Lycée“ tendiert inzwischen quasi unter null oder knapp weniger.
In 4 bis 3 Jahren werde ich die Luxemburger Schule zur KFF Zone, zur komplett Fehler freien Zone erklären. Das Inspektorenkollegium der Primärlehrer wird mir dabei helfen und nur noch mündliche Texte niederschreibe

Dr. Pasta: Toll! Wie haben Sie das geschafft ?

Minister: ( mit erhobenem Zeigefinger): Das war nicht so einfach. Selbst in einem Lycée, wo jeder Lehrer und Schüler vorab unterschreiben muss, keine Fehler nicht mehr zu schreiben, gibt es immer noch welche, die es nicht lassen können, nicht fehlerfrei nicht zu schreiben. Schliesslich kamen wir auf die Idee, die Fächer, die fehlerorientiert sind, radikal wegzureformieren und durch neue, transviszerale Sockelkompetenzen zu ersetzen.

Dr. Pasta: Neue Sockel und neue Kompetenzen für neue Schüler ? Und das alles ohne die althergebrachten Ungenügenden und Nachexamina ?

Minister: ( blättert nervös in den Zahlenreihenseiten einer nagelneuen SCRIPT Brochüre ): Ehrlich gesagt, zumma zummorium, wie wir Lateiner sagen, hatten wir auch im “ Nei-ale Lycée“zwei Ungenügende in den für uns wichtigen, sog. Transviszeralsektoren: eine in Zauberei&Trickserei und eine, allerdings ziemlich gepfefferte, in Salsa&Akrobatik.

Dr. Pasta: Konnten Sie den betroffenen Unglücksraben, deren unerwartet schlechte Resultate doch recht deutlich auf übertriebenen Prüfungsstress hindeuten, nicht doch noch eine pädagogische Stützmassnahme anbieten?

Minister: Haben sie denn noch nichts von meinen neuen Erste Hilfe Kursen der Remeditation gehört ? Damit bekommen wir jedes Problem, selbt in den Uralt Lycées, sofort in den Griff. Hat ein Schüler eine Datz, verpflichten wir den Klassenlehrer und sämtliche Fachlehrer, in Geheimsitzungen sofort längeren Intensivkontakt aufzunehmen und eine genaueFallstudie vorzulegen um herauszufinden, welcher Lehrer welches Fach nicht richtig halten kann. Haben wir ihn oder sie ( meistens ist es eine “sie“) ertappt und festgenagelt, muss der oder die Schuldige einfach eine Stunde oder zwei pro Woche länger in der Schule bleiben und alles noch einmal nicht erklären, bis der Schüler auch nicht mehr kommt oder endlich zugibt und unterschreibt, alles nicht verstanden zu haben.

Dr. Pasta: Hat diese Remeditation denn etwas gebracht ?

Minister: Sie hat weit mehr verbracht, als selbst die grössten Optimisten in meinem Ministerium sich nicht erträumen konnten. Mit dieser neuen Methode tendieren die Datzen inzwischen überall im Lande gegen unter Null oder knapp darunter. Das Ganze kostet zwar eine schöne Stange Geld aber es wird auch keiner klug dabei. Außerdem meint der Staatsminister, der sich bei den vielen Reformen immer hinter mich stellt, das Geld spiele keine Rolle und stinke auch nicht. Künftige Generatoren würden uns alles, was wir in die Einbildung stecken, doppelt oder sogar halbe zurückbringen und dabei nicht einmal nach Dankbarkeit fragen.

Dr. Pasta: Und die Lehrer ziehen mit?

Minister: Mit den Lehrern habe ich keine Probleme, ich höre ihnen einfach nicht zu. PISA hat uns doch allen gezeigt, dass nur die besten Reformschulen mit den besten Reformlehrern wie in Südkorea oder Japan hervorragende Leerergebnisse haben. Dort wird auch kein Lehrer nach seiner Meinung gefragt und die Schüler sind die Gewinner und die PISA Manager auch. Der nächste PISA Kongress findet übrigens auf Maui statt.

Dr. Pasta: Und der Draht zu den Eltern ?

Minister: Eine rezente, breit gefächerte Umfrage unserer Forschungsabteilung hat klare Belege dafür gefunden, dass hierzulande immer mehr Eltern, auch Mütter und Väter, in total verrütteten Kindshäusern aufwachsen und ergo die Schule mehr noch brauchen als die Lehrer und Schüler. So kam die Idee der Elternschule auf, zuerst natürlich im “Nei-ale Lycée“, wo einfach mehr los ist. Dem Vernehmen nach sind aber inzwischen 3 bis 2 weitere Sekundarschulen im In- und Ausland bereit, die Elternschule auch nicht einzuführen.

Dr. Pasta: Wie läuft das denn konkret, das mit den Vätern und den Müttern ?

Minister: Zweimal in der Woche, in der Karnevalszeit auch mal samstags, treffen sich die Mütter mit den Vätern in der Aula und spielen zuerst eine Stunde lang “Mensch ärgere dich“ gegen die Lehrer. Gegen neun gibt's den dritten Apéritif und danach ein Multi-Kulti Menü, meistens mit italienischem oder andalusischem Ambiente. Gemeinsames Essen und Trinken, besonders zwischen fremden Müttern und unerkannten Vätern, löst bekanntlich die Zungen und belebt elterliche Zusammengehörigkeitsgefühle. Nicht selten kommt es zu befruchtenden Gesprächen in trauter Runde wobei jeder Schulpartner nur gewinnen kann. Ab nächstem Herbst werden im übrigen in allen Elternschulen Gummiapparate zur Verfügung stehen, damit etwaige Fehler sozusagen im Vorfeld ausradiert werden können.

Dr. Pasta: Und alle sind zufrieden und haben auch wirklich was davon ?

Minister: Natürlich gibt es hie und da Unzufriedene, etliche kommen unter falschem Namen um anonym zu bleiben und können ihr Frohlocken nicht öffentlich zur Schau stellen. Die meisten aber tragen viel davon. Auch die Anwaltskammer hat ihre Genugtuung klar zum Ausdruck gebracht als bekannt wurde, dass die Scheidungsquote unter den Teilnehmern der Elternschule gewaltig zugenommen hat und die Prozesslawine auch. Schulreformen, die jedem etwas bringen, das war und bleibt mein Motto. Im neuen Schulgesetz, das demnächst, spätestens aber 1912 in Kraft treten wird, werde ich deshalb die Elternschule auf die Gemeindeschulen ausdehnen und auch für werdende Grossväter und Grossmütter obligatorisch machen. Niemand sollte nachher sagen können, er habe keine Chance gehabt.

Dr. Pasta: Aber in den Schulferien, was ist da vorgesehen?

Minister: Die Schulferien in ihrer bisherigen Form werden abgeschafft. In den leerfreien Wochen wird die sog. pädagogische Schubumkehr eingeführt. Die Eltern werden mit der Lustair nach Ibiza an die dortige erziehungswissenschaftliche Strandfakultät verfrachtet, für die Lehrer ist ein einmonatiger Fortbildungsaufenthalt in der Elternschule der Weißen Patres im Marienthal vorgesehen. Wenn dort kein Platz mehr frei ist, können wir auch auf das Kloster der fröhlichen Karmeliterinnen auf Cents, wo die neuen Zensuren gedrückt werden, ausweichen. Wie ich schon den Diekircher Professoren sagte: In den Ferien und auch sonst will ich keinem Lehrer nicht mehr auf dem Fahrradweg begegnen. Ich habe nämlich keine Bremsen an meinem Dreirad, es könnte zu einer Kollision kommen und das wäre schlecht, bei dem Lehrermangel!

Dr. Pasta: Madame Minister, vielen Dank für das Gespräch. Das kann 1912 ja noch heiter werden!