Das Hochamt der Schultechnokraten (Journal 1/2014) Patrick Arendt

05.02.2014

Standpunkt


Das Hochamt der Schultechnokraten



Wie lange noch wollen sich die nationalen Bildungsministerien die Bildungsziele von der OECD diktieren lassen?

Heute, am 3. Dezember ist der von den internationalen und nationalen Mitgliedern des PISA-Konsortiums so lang ersehnte Tag endlich gekommen. Pünktlich und zeitgleich in allen beteiligten Ländern stellt die OECD den zuständigen Ministern, im Rampenlicht der versammelten nationalen Presse, die Resultate der neusten PISA-Studie vor.

Keine Angst. Ich werde mich nicht berauschen lassen an einigen gewonnen Punkten in einer oder mehreren Disziplinen. Ich werde nicht die Resultate der luxemburgischen Schüler in Mathematik mit denjenigen der - Zitat Spiegel - asiatischen Mathe Genies vergleichen. Ich werde nicht in den Abgesang unseres Schulsystems einfallen, dessen Punktwerte im internationalen Vergleich unter dem Durchschnitt liegen.

Man dürfte sich nicht wundern, wenn sich die PISA-Ergebnisse irgendwann in den Sportrubriken wiederfinden würden, ähnlich aufgebauscht wie der Medaillenspiegel bei den Olympischen Spielen. Doch so langsam scheint das Medieninteresse, auf seiner steten Suche nach spektakulären, erschütternden Nachrichten, an PISA zu erlöschen. Die anfängliche Schockwirkung kann nicht mehr erreicht werden. Erste kritische Stimmen werden laut und immer lauter. Der Sinn und Unsinn dieser unglaublich teuren Studien wird hinterfragt. Die Aussagekraft der Bewertung, die in Punkten unheimlich präzise ausgedrückt werden, erscheint mehr und mehr fragwürdig. Dass dies erst jetzt passiert, ist doch leicht verwunderlich: Haben wir nicht erst kürzlich erfahren müssen, dass schon eine Schulnote bis 60 Punkte keine objektive Aussage enthalten kann.

In meinen Augen reduziert sich das PISA-Medienspektakel auf eine zentrale Frage: Welche Ziele verfolgt die OECD mit der PISA- sowie den verschiedenen Unterstudien, die im Fahrwasser der PISA-Studie, regelmäßig in den Schulen die verschiedenen Altersstufen in ausgewählten Fächern heimsuchen?

Es ging in der Tat um die initiale Schockwirkung. Die Schulsysteme fast aller Länder wurden durch die PISA-Ergebnisse destabilisiert und in Frage gestellt. Diese Vorgehensweise hat die OECD, und wen wundert das, aus der Wirtschaft übernommen. Eine Krise, unabhängig vom Verursacher, öffnet den Weg für Veränderung und Reformen, die, wie sich inzwischen die Lohnempfänger vieler Länder schmerzlich bewusst werden mussten, ohne Krise sich nie hätten durchsetzen lassen. Die Krise bricht den Widerstand.

Ich wage die Formulierung der These, dass sich die Paradigmenwechsel der letzten Jahre in der Bildung, nämlich die Einführung des Prinzips des Kompetenzunterrichts, die Logik von Produktivität und Konkurrenz (des Ellbogenprinzips) bei Schülern und Lehrern, die Managermethoden bei der Leitung der Schulen, d.h. eigentlich alle Prinzipien gegen die sich die Lehrer auch in Luxemburg zu wehren versuchen, ohne die Verunsicherung einer breiten Öffentlichkeit durch die PISA-Resultate, kaum auf Akzeptanz, weder bei Lehrern noch bei Eltern, gestoßen wäre. So hat die OECD mit seinem PISA-Konsortium das wesentliche Ziel erreicht. Als „angenehmer“ Nebeneffekt wurde die Position und das Ansehen der öffentlichen Schulen schwer beschädigt und somit der Weg geebnet für Privatschulen. Das Gründen einer Schule zum Zwecke des Erwirtschaftens eines Profits ist scheinbar gesellschaftsfähig geworden.

Die Frage bleibt, ob die Bevölkerung sich der Gefahren einer solchen Entwicklung bewusst werden wird und es noch Alternativen zu dieser Entwicklung geben wird
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Patrick Arendt