Gemeinsam statt einsam?

Gemeinsam statt einsam?
In der Fachzeitschrift „Pädagogik”, Ausgabe 1/10, zieht Johannes Bastian folgende interessante Schlussfolgerung auf Fragestellungen hinsichtlich Teamarbeit und Unterrichtsentwicklung: „Die Erfahrungsberichte zeigen: Gelingen kann Teamarbeit nur, wenn Entlastung und Belastung sich die Waage halten, wenn der Einzelne bei Absprachen seinen eigenen Spielraum behalten kann und wenn der Nutzen für eine Verbesserung des Unterrichts erkennbar ist. Nur so kann Teamarbeit zur Basis von Unterrichtsentwicklung werden.” |
Die Umsetzung des Grundschulgesetzes befindet sich in einer heißen Phase. Viele LehrerInnen schwanken zwischen Erwartung und Bangen. Anfängliche Motivation und Hoffnung riskieren in Resignation und Enttäuschung auszuarten, wenn übertriebener administrativer Kram, welcher oft seinen Kontrollcharakter nicht verbergen kann, den eigentlichen Lehrauftrag in den Hintergrund stellt.
Das Ministerium ist gefordert, seine Verantwortung zu übernehmen und nicht einigen übereifrigen Kontrolleuren aus Inspektorat, Schulverwaltung oder sogar aus den Reihen der Präsidenten der Schulkomitees das Terrain zu überlassen. Auch diese Damen und Herren brauchen klare Richtlinien, eine an die neuen Herausforderungen angepasste Definition ihrer Rolle. Die Anforderungen an die Lehrerschaft sind enorm und verlangen teilweise einen Mentalitätswechsel, begleitet von Ängsten und Unsicherheiten, von dem Gefühl, den von ihnen verlangten Arbeitsaufwand nicht zu schaffen, zu versagen. Sie brauchen Unterstützung, nicht Kontrolle, denn die überwältigende Mehrheit leistet viel mehr, als in einer 40- Stunden Woche bewältigt werden kann, und das allein schon in ihrer täglichen Lehrertätigkeit, nicht zu sprechen von Weiterbildung durch Teilnahme an Seminaren und / oder durch Selbstdidaktik über Fachliteratur. LehrerInnen können die im Grundschulgesetz formulierten Ziele nur in die Praxis umsetzen, wenn sie das nötige Vertrauen in ihre eigenen beruflichen Kompetenzen erleben, genau so wie sie aufgefordert sind, die ihnen anvertrauten Kinder in ihren Kompetenzen zu erkennen, zu unterstützen und zu fördern, damit sie mit Freude Wissen erwerben, mit Begeisterung Können erleben und freiwilliges Wollen als Motivationsschub erfahren. Gerade in Zeiten des Umbaus, des Umdenkens, des In-Fragestellens, des Experimentierens brauchen LehrerInnen die erfahrbare Bestätigung, dass sie in diesem Erneuerungsprozess unterstützt werden, dass ihre Anstrengungen anerkannt werden, dass personelle, zeitliche, organisatorische und räumliche Defizite die von ihnen verlangte Mehrarbeit nicht in Frage stellen.
Werden diese vier Ecksteine vernachlässigt, werden sich die erwünschten positiven Effekte nicht oder nur kümmerlich zeigen. Vor allem der erwartete und nötige Entlastungseffekt für die KollegInnen darf nicht zu lange auf sich warten lassen, weil sonst die Gefahr besteht, dass Resignation und Stress das Gelingen eines vom Ansatz her anspruchsvollen Reformgesetzes fundamental in Frage stellen, eine negative Perspektive, die sicher von niemandem gewollt, noch gewünscht ist.
Dem Argument, dass das Umsetzen einer neuen Herausforderung Zeit braucht, halte ich entgegen, dass deren Gelingen auf schnell fühlbare Erfolge, Befreiung von unnötigem administrativem und organisatorischem Ballast, Abbau von krank machendem Stress, aufwertende Begleitung eines komplexen Prozesses, sowie spürbares und nachhaltiges Erleben von materieller und moralischer Unterstützung beruht.
Hierzu sind alle Partner gefordert, nicht nur die LehrerInnen, und das kann nur gelingen, wenn der partnerschaftliche Geist einem hierarchischen Denken und autoritären Handeln nicht untergeordnet wird und wenn in der Politik die Bereitschaft besteht, trotz Wirtschaftskrise oder gerade deswegen, in Bildung und Erziehung zu investieren, eine Forderung, welche in fast allen Wahlprogrammen und Koalitionsabkommen wieder zu finden ist, deren Umsetzung aber oft nur von Worten geprägt ist, denen Taten aber nicht unbedingt folgen. Dabei kosten konkrete Maßnahmen nicht immer nur Geld, das in diesem Bereich sowieso zukunftsorientiert und langfristig gewinnbringend investiert wird, sondern oft nur den ausgesprochenen und nachvollziehbaren Respekt gegenüber den in der Praxis verantwortlichen Trägern einer Institution, deren Impakt auf gesellschaftliche Weiterentwicklung bis auf weiteres von äußerster Wichtigkeit ist.
Wenn „kein Kind auf der Strecke bleiben soll“, und diese Forderung liegt mir sehr am Herzen, dann darf auch kein Lehrer oder Erzieher im Regen stehen gelassen werden. Wenn alle vom Sinn der angestrebten Ziele überzeugt sind, muss daran gearbeitet werden, dass Teamarbeit im kollegialen und professionellen Sinn gelingt, dass das Vertrauen auf Selbstverantwortung der Forderung nach hierarchischer Kontrolle widersteht, und dass den Teams Freiräume erlaubt und erhalten bleiben.
In der aktuellen Phase des Umsetzens eines neuen Gesetzes werden alle zu Lernern, und es wäre fatal, denen, die ihr Wissen und Können, ihre Erfahrungen zugunsten des lernenden Kindes in die Praxis umsetzen sollen, ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstbewusstsein zu untergraben, anstatt, wie Kersten Reich, Professor für vergleichende Bildungs- und Sozialwissenschaften an der Universität Köln schreibt, „...auch Lehrkräften als kompetenten Gestaltern zukünftiger und aktueller Lehrpläne mehr zu vertrauen und nicht bloß Experten von außen oder Vorgaben von oben… Deshalb ist es wichtig, dass Lehrende ihren Unterricht eigenständig gestalten können und nicht bürokratisiert verordnet bekommen.“
Auch der Austausch im Team muss von vielen zuerst noch erlernt und erprobt werden. Dieser Lernprozess, der nie abgeschlossen sein wird, muss für Lehrende genau so individuell und verschieden gestaltet und erlebt werden können, wie es als Selbstverständlichkeit für die lernenden Kinder erwartet wird. Erst wenn ersichtlich wird, dass dieser Weg vom einsamen, oft mühsamen und zerreibenden Einzelkampf zum gemeinsamen Vortasten in Richtung eines spürbaren Qualitätszuwachses und einer geteilten Verantwortung führt, ohne das Gefühl zu haben, ständig verglichen und kontrolliert zu werden, ständig neuen Vorschriften unterworfen zu werden, ständig belastenden und unverständlichen Plagen ausgesetzt zu sein, kann ein partnerschaftliches Klima auf allen Ebenen in unseren Schulen sich wirklich durchsetzen, eine der wichtigsten Voraussetzungen, dass die im Gesetzestext formulierten Objektive auch die angestrebte und nachhaltige Wirkung zeigen.

Aloyse Ramponi
Membre de la direction syndicale