Offener Brief: Promotionskriterien beim Staat benachteiligen Eltern in Teilzeit

14.06.2022

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Sehr geehrter Herr Minister Hansen,

Sehr geehrter Herr Minister Meisch,

 

Im Februar 2022 machte das SEW/OGBL Sie während einer Unterredung sowie in einem offenen Brief auf eine gesetzliche Benachteiligung von Eltern in Teilzeit in Bezug auf die Promotionskriterien aufmerksam.

So kann in den älteren E-Laufbahnen beim Staat laut Gesetz nur die- oder derjenige das 14. Echelon erreichen, der 180 Stunden Weiterbildung absolviert hat, unabhängig davon, ob die- oder derjenige Voll- oder Teilzeit arbeitet, um z.B. Kinder zu erziehen. Aber auch die neueren Laufbahnen beim Staat enthalten Promotionskriterien, die Eltern in Teilzeit oft nur sehr schwer zum vorgeschriebenen Zeitpunkt erfüllen können. So ist der Aufstieg vom „Niveau général“ in das „Niveau supérieur“ in quasi sämtlichen neuen Laufbahnen beim Staat an die Bedingung geknüpft, nach 12 Dienstjahren 72 Stunden Weiterbildung absolviert zu haben, während die Beförderung in den letztmöglichen Dienstgrad an das Absolvieren von 180 Stunden Weiterbildung geknüpft ist. Auch hier wird nicht unterschieden, ob innerhalb dieser 12 oder 20 Jahre ein oder mehrere Mutterschaftsurlaube genommen wurden oder ob ein Elternteil Eltern- oder Teilzeit beansprucht hat, um sich um Kinder zu kümmern.

Am 3. Juni 2022 fand eine Unterredung zwischen Minister Marc Hansen und dem SEW/OGBL zu diesem Thema statt. Hier wurde die Aussage des SEW/OGBL, dass es sich hierbei um eine reelle Benachteiligung junger Eltern, vor allem Müttern in Teilzeit, von Seiten des Ministeriums vehement in Frage gestellt. Umso erleichterter sind wir, dass wir Ihnen die Problematik bewusst machen konnten: In Ihrer gemeinsamen Antwort auf die parlamentarische Anfrage der CSV-Abgeordneten Martine Hansen schreiben Sie, dass es sich um ein reelles Problem handelt und schlagen ebenfalls Lösungen vor, wie die Dispensmöglichkeit in Bezug auf die Anzahl der Weiterbildungsstunden für Lehrkräfte in Elternteilzeit umgesetzt werden kann.

Allerdings schreiben Sie, dass nur die Lehrkräfte aus der E-Laufbahn vom Problem der verspäteten Beförderung betroffen sind.

Wir möchten Sie jedoch darauf hinweisen, dass auch Lehrkräfte aus der A- oder B-Laufbahn sowie Beamte oder öffentliche Angestellte aus allen neuen Laufbahnen beim Staat je nach persönlichem Familienmodell und Lebensentwurf betroffen sein können.

Folgendes Beispiel veranschaulicht dies: Eine Person, die nach 2 Jahren Referendariat, 2 Jahre Vollzeit arbeitet, dann schwanger wird und jeweils knapp 5 Monate Mutterschaftsurlaub, gefolgt von 6 Monaten Elternurlaub, nimmt und in den nachfolgenden Jahren Teilzeit arbeitet (50%), noch ein zweites Kind bekommt (wieder knapp 5 Monate Mutterschaftsurlaub, dann 6 Monate Elternzeit) und weiterhin Teilzeit arbeitet bis zum 13. Geburtstag des zweiten Kindes, wird ihre Beförderung in den letztmöglichen Dienstgrad nicht nach 20, sondern nach 22 Jahren erhalten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Anzahl der Weiterbildungsstunden augenscheinlich sowie die dafür vorgesehene Zeit dafür aber tatsächlich proratisiert werden, aber am Ende trotzdem noch 180 Stunden Weiterbildung verlangt werden, um in den letztmöglichen Dienstgrad aufzusteigen. Diese Regelung diskriminiert vor allem junge Eltern, insbesondere Mütter, da diese statistisch gesehen öfters Teilzeit arbeiten als Väter.

Des Weiteren steht in Ihrer letzten Antwort, dass Sie von der gesetzlich erwähnten Dispensmöglichkeit Gebrauch machen werden, um Lehrkräften, die in Teilzeit arbeiten und dadurch die verlangte Anzahl an Weiterbildungsstunden nicht erreicht haben, doch den Aufstieg in den letztmöglichen Dienstgrad zu ermöglichen. Das SEW/OGBL begrüßt diese Entscheidung! Allerdings wurde uns während einer Unterredung im Bildungsministerium im Februar 2022 auf Nachfrage zu dieser Dispensmöglichkeit geantwortet, dass diese grundsätzlich nicht zu dem Zweck eingesetzt werden würde, um Lehrkräfte in Elternteilzeit den Aufstieg ins 14. Echelon oder in den letztmöglichen Dienstgrad, trotz nicht erreichter Anzahl von 180 Weiterbildungsstunden, zu ermöglichen. Wir bitten Sie, hier noch einmal für Klarheit zu sorgen und den Gesetzestext um die Modalitäten der Dispensmöglichkeit zu erweitern.

Wir begrüßen die Möglichkeit einer weiteren Unterredung im Oktober 2022, die uns Ihrerseits vorgeschlagen wurde und hoffen, dass wir angemessene Lösungen für alle angesprochenen Problematiken finden können.


Hochachtungsvoll,

Joëlle Damé, Präsidentin des SEW/OGBL
Jules Barthel, Vize-Präsident des SEW/OGBL (Département Secondaire)
Frédéric Krier, Verantwortlicher der Abteilung Öffentlicher Dienst des OGBL
Christian Sikorski, Zentralsekretär des Syndikats Öffentlicher Dienst OGBL/Landesverband
Milena Steinmetzer, Beigeordnete Zentralsekretärin des Syndikats Öffentlicher Dienst OGBL/Landesverband
Gilles Bestgen, Beigeordneter Zentralsekretär des SEW/OGBL

Luxemburg, den 14. Juni 2022