School-Leaks (Zousaz) Tester am C4.2

09.05.2015

School-Leaks (Zousaz) Tester am C4.2

E schlechte Witz!


D’C4.2 Schülerinnen a Schüler gi vum Minister Meisch net eescht geholl:

Hir Leeschtung gëtt an den Zousaztester unhand vu «niveau socle» a «niveau avancé» gemooss. Opgrond vu wéi engen Ufuederungen des Niveauen definéiert goufen, ass e grousst Rätsel. De groussen Deel vun de Schüler hunn deen éischten Zousaztest an all Haaptfach (Zitat) «lächerlech...vill ze einfach...4. Schouljoer...» fonnt. Zemools an de franséischen Tester ass den ënnerschiddleche Schwieregkeetsgrad net ze erkennen.

Wéi eng wäertvoll zousätzlech Ausso sollen deemno des Tester liwweren, wa keng Streeung vun de Resultater dobäi erauskënnt, mee all Kand op d’mannst um «niveau socle» steet?

Als Illustratioun zu deenen doten Iwwerleeungen, hei e kuerzen Email-Echange tëschent engem C4.2-Enseignant an engem MENJE-Beamten:

Enseignant: Guten Tag,
Ich habe soeben die heutigen Epreuves meiner Schüler verbessert und mir die Ergebnisse angeschaut. Nun ist es so, dass diese Rohergebnisse mir bislang recht wenig Aufschluss über die Leistung der Schüler geben, zumal ich mit Ausnahme einer Schülerin keine signifikanten Unterschiede zwischen den Items des niveau socle und des niveau avancé feststellen kann. Wird es vielleicht Referenzwerte geben, was man als in etwa durchschnittliche Leistung erwarten kann? So könnte man die Ergebnisse besser einordnen.
Vielen Dank und freundliche Grüße,
...
Beamten: Bonsoir Monsieur ...,
nein, Referenzwerte wird es keine geben. Ein Kind, das Niveau Socle erreichen will, sollte also einen Großteil des ersten Testteils gelöst haben, eins, das ein höheres Kompetenzniveau hat, sollte auch den zweiten Teil größtenteils gelöst haben. Aber vergleichen Sie das Ergebnis des Kindes auch mit dem ersten Test im März und mit den Leistungen aus den letzten zwei Jahren.
Einen schönen Abend noch wünscht Ihnen
...
De Minister huet duerch d’Auswäertung vun den Zousaztester de Punktesystem nees agefouert:

De Schüler hir Resultater ginn unhand vu richtegen Items duergestallt: et gëtt gezielt, wéi vill Items si par rapport zu enger Maximalzuel erreecht hunn. Ob dem Schüler säi Resultat lo heescht «24 vun 30» (Items) oder «48 vu 60» (Punkten) ass genee datselwecht.  Just d’Bezeechnung ass eng aner.

Di éischt Tester goufen trotz de «School-Leaks» ausgewäert:

Statistesch sinn d’Resultater vun deenen Tester näischt wäert, well «d’Fuddeltester» mat ausgewäert gi sinn an deemno déi national Resultater an d’Statistik verfälschen. Dat wëssen d’Beamte vum MENJE an hire Minister, dat wëssen d’Schüler, d’Elteren an d’Enseignanten. Deemno kënnen d’Resultater vu Schüler an Elteren total kontestéiert ginn. Vum Käschtepunkt vun dëser sënnloser statistescher Auswäertung a vun den total iwwerflëssegen Zousaztester gëtt och net geschwat, obschonns de Minister Meisch amgaang ass, aus dem Educatiounsministère e Spuerministère ze maachen.

An all Gebai goufe Leit «zwangsrekrutéiert», fir d’Päck mat den Tester op d’Regionalbüroe sichen ze goen:

Wéi wa mir soss näischt ze dinn hätten! Dräimol hunn des geploten Enseignanten oder Schoulkomiteepresidente sëch misse bannent enger virgeschriwwener Zäit op déi respektiv Büroen deplacéieren: natierlech mat hirem Auto an op hir eege Käschten. Bensinsgeld? Assurance? Keen Thema. Alles selbstverständlech, dass déi designéiert Persounen deen «Dienstbotengang » an hirer Fräizäit onentgeldlech maachen.

Déi vill «instituteurs-ressource» hätt een als Bréifdréier sou (ganz sënnvoll!) kënne während hirer Aarbechtszäit beschäftegen, a mat dësem Déngscht hätten si tatsächlech d’Enseignanten entlaascht!

De Minister soll zouginn, dass d’Orientatiounsprozedur am allgemengen, d’Tester am speziellen (a besonnesch dëst Schouljoer), näischt wäert ass / sinn!

All d’Akteuren hunn d’Spillchen duerchkuckt, fille sech net fir eescht geholl, si rosen, enttäuscht, frustréiert. Si hunn d’Prozedur missen iwwer sech ergoe loossen (Schüler & Elteren), respektiv se missen duerchzéien, matmaachen, a musse lo och nach d’Resultater verkafen (Enseignanten). Op hirem Bockel versicht e verzweiwelte Minister, sech mordikus duerchzesetze fir nëmmen net zouzeginn, dass d’Orientatiounsprozedur e gescheitert, oder op d’mannst reformbedürftegt Instrument ass.

Den SEW/OGBL fuerdert de Minister op e Neits op, all d’Akteure vum Terrain eescht ze huelen an den Enseignanten an hirer professioneller Kompetenz ze vertrauen!

Den SEW/OGBL setzt sech duerfir an, dass d’Orientatiounsprozedur ganz nei op de Leescht geholl, iwwerpréift an un d’Besoins an d’Ufuerderunge vum Terrain ugepasst gëtt!




School-Leaks-Tests

Auftrag erledigt!



Ein Aufatmen geht durch alle C4.2 Klassen des Landes: die 6 (?!?) zusätzlichen «épreuves communes» in den Fächern Französisch, Mathematik und Deutsch wurden ordnungsgemäß durchgeführt und können abgehakt werden. Was bleibt ist ein sehr saurer Beigeschmack bei allen Beteiligten: Schüler, Eltern und Lehrer sind die Leidtragenden der medienträchtigen «School-Leaks». Auch das ohnehin schon angeschlagene Image des Bildungswesens hat dauerhaften Schaden genommen.

Zur längst bekannten mangelnden echten Dialogbereitschaft seitens des Ministers Meisch gesellt sich nun ein offenkundiger Misstrauensbeweis gegenüber der gesamten Luxemburger Lehrerschaft. Als C4.2 Klassenlehrer fühlt man sich wie in einem schlechten Spionagefilm der 1970er Jahre:

Ministerielle «Top-Secret»-Anweisungen wurden per Email (in roter Schrift, mit sehr vielen Ausrufezeichen!!!) an Klassenlehrer, Schulkomiteepräsidenten und Inspektorat versendet. Es fehlte nur noch der Hinweis: «Diese Mail zerstört sich nach dem Öffnen innerhalb von 10 Sekunden.» Es sind vereinzelte Fälle von übereifrigen, pflichtbewussten und ministertreuen Lehrern bekannt, welche unter akuten Magen-Darm-Beschwerden litten, weil sie die ausgedruckte Email schnellstmöglichst durch Kauen und Schlucken vernichteten.

Doch damit nicht genug: da alle C4.2 Klassenlehrer unter Generalverdacht standen, zu den Schummlern zu gehören (oder, um sie nicht in Versuchung zu führen), musste pro Schulgebäude eine Person, ausgerüstet mit Sonnenbrille und Tarnkleidung, exakt am Vortag der jeweiligen Zusatztests (also insgesamt dreimal) zwischen 15.00 Uhr und 18.30 Uhr im Büro des zuständigen Inspektors erscheinen, um die heiße Ware dort abzuholen. Wie bei einer illegalen Geldübergabe wurde diesen Geheimagenten in spe angeraten,  die Exemplare nachzuzählen und mit ihrer Unterschrift zu bezeugen, dass sie ihren Job «im Auftrag Ihrer Majestät» pflichtbewusst und ordnungsgemäß ausgeführt hatten.

Im eskortierten Dienstwagen, den der selbstlose Minister den neurekrutierten Geheimagenten zur Verfügung stellte, ging es dann mit Blaulicht zurück zu den jeweiligen Schulen, wo der unbestechliche Hausmeister zu einer Nachtwache neben den Paketen verdonnert wurde mit dem Befehl, sofort Meldung zu machen, falls sich in der Nacht ein C4.2 Klassenlehrer mit Stirnlampe an das «corpus delicti» heranwagen sollte. Ein Hoch auf alle diensttreuen Hausmeister, die einen vorbildlichen Job geleistet und während drei Nächten tapfer die Stellung gehalten haben!

Es folgten am «D-Day» (Tag der Zusatztests) neue Befehle per Email für die Lehrer: nach einer schlaflosen Nacht saßen diese nägelkauend in ihrem verdunkelten Büro vor ihrem Computer in Erwartung weiterer Anweisungen. In roter Schrift (zB. es sei nach 55 Minuten eine 5minütige Pause während der Gesamttestzeit von 120 Minuten / Fach einzulegen) erschien punktgenau um 7.30 Uhr die ministerielle Botschaft, begleitet von den brandheißen Lehrerheften mit den Lösungen! Landesweit spuckten die Drucker fleißig die gefährlichen Schriftstücke, wurden von fiebrigen Lehreraugen verschlungen und landeten schließlich sicher im Tresor, den das Ministerium jedem Lehrer als Entschädigung für die kaum erwähnenswerte Mehrarbeit großzügig zur Verfügung gestellt hatte. Die Gefahr, dass ein unbelehrbarer Widerstandskämpfer unter den Lehrern das vertrauliche Material nochmals weiterleitet, war gebannt: «Big Brother» überwacht alle «education. lu» Emailadressen, und das souveräne Auftreten des Ministers vor der Presse hatte dazu beigetragen, die ganze Lehrerschaft vollends einzuschüchtern.

Also ab zur Schule, wo die Lehrer zitternd den Hausmeister weckten, um ihre Pakete in Empfang zu nehmen, ohne sich auch nur zu trauen, den geringsten Blick darauf zu werfen. Einigen fiel auf, dass ihr Klassenzimmer über Nacht mit neuester Technologie ausgerüstet worden war: Kameras, Wanzen, sogar Drohnen wurden über einigen Schulen gesichtet. Es geht doch nichts über eine perfekt organisierte Kontrolle, selbstverständlich zum Wohle aller Beteiligten.

8.00 Uhr: die kreidebleichen Schüler schleichen mit hängenden Schultern zu ihren Plätzen in Erwartung der Dinge, den Kopf voller gutgemeinter Ratschläge, Mahnungen und Drohungen ihrer besorgten Eltern, die alle an ihren Arbeitsplätzen oder zuhause mitfiebern. Bevor die C4.2 Klässler mit dem Lesen und Schreiben loslegen, winken sie noch einmal brav in die Kamera und grüßen den Minister. Einige bedanken sich artig für den netten Entschuldigungsbrief, den sie vor den Osterferien erhalten hatten. Der Lehrer marschiert derweil im Klassenzimmer auf und ab: mit einem Auge kontrolliert er die Uhr (um ja nicht die Pause nach 55 Minuten zu verpassen), mit dem anderen Auge wirft er strenge Blicke auf seine leidende Schülerschar, die sich kampflos in ihr Schicksal ergeben hat. Nach 55 Minuten unterbricht er die vollkonzentrierten Schüler: Pause! Fenster auf, Sauerstoff rein, Toilettengang... alles belegt mit strengstem Schweigegebot! 5 Minuten später: die Konzentration ist weg, die Schüler lesen den Text nochmals und versuchen, den verlorenen Denkfaden wieder aufzugreifen. Nach weiteren 65 Minuten ist es geschafft... und alle sind geschafft...und kommen endlich in den Genuss eines alltäglichen Unterrichts, den Schüler und Lehrer wie befreit, ohne Druck, gemeinsam gestalten.

Kaum zuhause wertet der pflichtbewusste Lehrer die Tests aus: er trägt für jeden Schüler brav auf dem vorgedruckten Papier ein, wie viele «niveau socle», «niveau avancé» jedes seiner Schäfchen pro Fach eingeheimst hat. Und er vermeidet es, sich Fragen bezüglich der Aussagekraft, des Mehrwerts, des Sinns... zu stellen: Widerstand beginnt im Kopf, und das darf ein «Je jure» - Lehrer nicht (mehr): Beamtenstatus lässt grüßen!

Umso mehr freut er sich auf die kommenden Schulwochen: ja, wenn alles korrigiert und ausgewertet ist, stehen die Gespräche mit den total «begeisterten»Eltern an, welche Sinn und Zweck der Zusatztests leider nicht so richtig einsehen wollen. Aber mit der richtigen Geheimagenten-Gesprächsführung wird das schon klappen  nd die Eltern werden die «Verkaufsveranstaltung» der Lehrers (im Angebot: Sinnvolle Zusatztests?!?) schon schlucken! Dieser C4.2 Lehrer denkt ernsthaft über eine definitive Umschulung zum Geheimagenten nach («formation prioritaire»), denn dieses Testen mit dem damit verbundenen Brimborium, das Ausschalten jeglichen kritischen Denkens, das hat schon seinen Reiz.

Nach einer derart offiziellen Gehirnwäsche, wo Vertrauen ein Fremdwort und die Frage nach dem Sinn nicht erlaubt ist, darf der Minister sich stolz und sehr zufrieden auf die Schulter klopfen: dem Lehrer-Fußvolk hat er nicht nur die Stirn geboten,  sondern auf eindrucksvolle Weise gezeigt, wer derHerr im Hause Aldringen ist. Die politische Pflicht ist erfüllt, die Bildungslandschaft ist wieder in Ordnung, der Ruf des Ministers ist wieder hergestellt. Die Schuldigen sind überführt, alle sind glücklich und zufrieden. Die Gerechtigkeit hat gesiegt! Happy End im Spionagefilm!

Oder doch nicht? Ist es nicht so, dass die School-Leaks-Affaire einmal mehr gezeigt hat, wie wenig Wertschätzung und Vertrauen der Minister der Lehrerschaft entgegen bringt? Sind die tatsächlichen Probleme, die seit Jahren mit der Orientierungsprozedur (und vor allem mit den «épreuves communes») verbunden sind, nun alle gelöst... oder doch nur unter den Teppich gekehrt? Welchen pädagogischen Mehrwert hatten die Zusatztests für Schüler, Eltern und Lehrer? Waren die Tests nicht vielmehr Ausdruck eines verzweifelten Befreiungsschlag eines Ministers, der unter Zugzwang geraten war und seine politischen Muskeln spielen ließ?

Fazit:
Alle Beteiligten sind erleichtert, dass dieser unsinnige Zirkus nun ein Ende hat und wieder Ruhe anhand eines geregelten, ungestörten Schulalltags in den Schulen eintritt, wo das gemeinsame Lernen wieder Vorrang hat. Doch der schale Beigeschmack, dass politische Machtspiele auf dem Rücken der Schüler, Eltern und Lehrer ausgetragen wurden, bleibt... und wirft kein gutes Licht auf die aktuelle Bildungspolitik.

Nadine Elcheroth