Meisch: „Stage-Zeit überdenken“

Tageblatt: 25. Januar 2018
Meisch: „Stage-Zeit überdenken“
Die Studenten der Universität Luxemburg sind sauer. Jedenfalls die, die gerade ihre vier Jahre Ausbildungszeit zum Grundschullehrer absolvieren. Bildungsminister Claude Meisch (DP) hat am Dienstag ein Abkommen mit der Lehrergewerkschaft SNE unterschrieben. Darin wird vereinbart, dass die sogenannte Stage-Zeit, also die Ausbildungszeit der Lehrer nach dem Studium, von drei auf zwei Jahre reduziert wird. Während der Zeit unterrichten die Anwärter schon, müssen aber nebenher noch Examen ablegen und Dossiers schreiben. Erst danach sind sie vollwertige Lehrer.
Eigentlich begrüßenswert. Das begrüßen die Studenten auch in ihrem an Bildungsminister Claude Meisch adressierten offenen Brief. Doch die zweite wichtige Maßnahme, die vereinbart wurde, stößt ihnen sauer auf: Künftig können auch Kandidaten antreten, die ein dreijähriges Studium abgeschlossen haben. Der Bachelor muss nur eines der Fächer abdecken, die in der Grundschule unterrichtet werden. Das trifft beispielsweise auf das Germanistik-Studium zu. Die Studenten der Universität Luxemburg fühlen sich unfair behandelt. Sie hätten mehr Kosten wegen des weiteren Studienjahrs und eine Ausbildung, die sie optimal auf den Beruf des Grundschullehrer vorbereitet. Das sei bei den anderen Kandidaten nicht der Fall.
Eine Notmaßnahme
Bildungsminister Claude Meisch zeigt sich dem Tageblattgegenüber erstaunt über die Kritik der Studenten. “Es ist nicht so, als würde ihnen ihr Arbeitsplatz weggenommen werden”, meint er. Die Maßnahme sei eingeführt worden, um Engpässen entgegenwirken zukönnen. Die studierten Grundschullehrer hätten immer Vorrang beim Einstellungsverfahren. Gebe es aber noch freie Plätze, die besetzt werden müssten, könne man auf die Bachelor-Absolventen zurückgreifen. “Die müssen aber dann in ihrem ersten Arbeitsjahr eine Ausbildung von 240 Stunden absolvieren, bei denenalles nachgeholt wird, was sie im Studium nicht gelernthaben”, so der Bildungsminister. Erst dann können sieauch den “Concours” ablegen, dessen Bestehen den Anfang der Stage-Zeit einläutet.
Die Studenten haben in ihrem offenen Brief an Meischnoch einen ganz anderen Punkt angeführt: IhrerMeinung nach sollte es den Stage überhaupt nicht mehrgeben. Immerhin würden sie während ihres Studiums vier Jahre lang auf ihre spätere Tätigkeit vorbereitetwerden, inklusive praktischer Ausbildung in den Grundschulen. Sie verstehen nicht, wieso sie überhaupt noch einen Stage absolvieren müssen.
Stage-Zeit reduzieren
Meisch gibt ihnen grundsätzlich recht. “In anderen Behörden macht die Stage-Zeit Sinn”, meint er. Beispielsweise bei einem Ingenieur, der bei der Straßenbaugesellschaft eingestellt wird. Dieser habe zwar das Ingenieurswesen erlernt, habe aber möglicherweise nicht genügend Fachkenntnisse im Straßenbau. “Bei den Grundschullehrern sieht das anders aus”, sagt Meisch, da sie ganz spezifisch auf ihren Beruf vorbereitet werden. “Meine Partei hat schon vorgeschlagen, den Stage zu reformieren”, sagt der Minister. Tatsächlich hat die DP kürzlich vorgeschlagen, die Ausbildungszeit im gesamten öffentlichen Dienst von drei Jahren auf ein Jahr zu reduzieren. Statt der langen Ausbildungszeit beiArbeitsantritt solle auf Weiterbildungen im Laufe der gesamten Karriere gesetzt werden. Meisch denkt, dass dies auch der richtige Weg im Schulwesen sein könnte. “Das ist eine Maßnahme, die im Sinne von qualitativ hochwertiger Bildung wäre”, findet er.
Laut Meisch ist es wichtig, dass nun in nächster Zeit über den Vorschlag der DP diskutiert wird. Eine gänzliche Abschaffung des Stages hält Meisch dagegen nicht für realistisch.
Nico Wildschutz